"Der Dienstplan ist ab sofort hinfällig" - Fallbericht aus der Gastronomie



"Der Dienstplan ist ab sofort hinfällig" - Fallbericht aus der Gastronomie

Wie war deine Arbeitssituation vor Corona?

Ich bin Studentin und habe seit Anfang Januar in einem kleineren Restaurant zweimal pro Woche gekellnert. Wir waren ungefähr sieben Mitarbeiter und bezahlt wurden wir stundenweise auf Mindestlohnbasis. Zusammen mit dem Trinkgeld kamen wir meistens auf ca. 11-12 € pro Stunde, außerdem waren alle Getränke und ein Essen pro Schicht kostenlos. Ich war froh, dass ich eine Arbeit gefunden hatte die nicht weit weg war und bei der ich zu relativ festen Zeiten arbeiten konnte, weil ich mich als alleinerziehende Mutter immer um eine Betreuung für mein dreijähriges Kind kümmern musste.

Wie hat sich deine Arbeitssituation durch die Pandemie verändert?

Ich weiß noch wie ich Ende Februar mit meiner Chefin darüber geredet habe, dass Corona langsam ein Thema wird, aber wir haben es beide damals noch nicht richtig ernst genommen, uns eher lustig darüber gemacht. Aber dann hat sich die Lage sehr schnell geändert. Kurz bevor die ersten Maßnahmen bezüglich der Gastronomie beschlossen wurden, habe ich noch mit meiner Chefin darüber gesprochen, wie sie weitermachen will. Sie meinte, dass sie auf jeden Fall solange geöffnet lassen will, bis es tatsächlich eine amtliche Anweisung gibt zu schließen, weil erst dann die Betriebsausfallversicherung zahlt. Das war am 14 März. Am 16 März bekamen alle Mitarbeiter eine Nachricht, dass der Dienstplan vorerst so bleibt wie geplant.
Am 17 März bekamen wir eine Nachricht, dass wir ab sofort zuhause bleiben könnten. Drei Tage hat die Chefin dann zusammen mit der Auszubildenden versucht den Betrieb aufrecht zu halten, aber es kamen keine Gäste mehr. Vor ein paar Tagen kam dann die letzte Nachricht: „Hi, liebe Mitarbeiter! Ich möchte euch darüber informieren, dass wir offiziell zum 31.05.2020 schließen werden […]. Wir danken euch für euren Einsatz und eure tolle Arbeit und wünschen euch für eure Zukunft alles Gute“. 

Wie kann eine Nachbarschaftshilfe von unten für dich in dieser Situation eine Unterstützung sein? 

Mein letztes Geld habe ich am 20. März ausbezahlt bekommen, für die Tage die ich im März schon gearbeitet hatte, das war es dann. Ich habe das alles erstmal einfach hingenommen, weil ich dachte, da kann man jetzt sowieso nichts machen. Erst als ich mit Leuten aus der Solidarischen Nachbarschaft, die sich mehr mit Arbeitsrecht auskennen und zum Teil schon länger in Gewerkschaften organisiert sind, gesprochen habe, habe ich erfahren, dass es eigentlich auch bei Jobs wie meinem, wo ich nur stundenweise bezahlt wurde, ein Recht auf Lohnfortzahlungen gibt, also darauf weiter Geld ausbezahlt zu bekommen, das sich dann an der durchschnittlichen Arbeitszeit bis dahin orientiert. Ich dachte immer „Naja, ich wurde halt stundenweise bezahlt, jetzt arbeite ich ja nicht mehr, dann bekomme ich halt auch nichts mehr“. Aber das ist überhaupt nicht so! 

Ich hoffe jetzt, dass ich es durch die Solidarische Nachbarschaft schaffe mit mehr Leuten in Kontakt zu kommen, die auch in der Gastro arbeiten und in einer ähnlichen Situation sind. Mein Eindruck ist, dass die allermeisten die in diesem Bereich arbeiten genauso wie ich gar nicht wissen, was eigentlich ihre Rechte sind. Alleine kann ich da auch wenig ausrichten, um diese Rechte dann durchzusetzen, aber ich glaube wenn wir uns zusammentun könnten wir schon ein paar ganz konkrete Sachen erreichen. Es kann doch nicht sein, dass wir KellnerInnen dann mit einem kompletten Lohnausfall diese Krise abpuffern müssen, während der Staat die großen Konzerne mit Milliarden vor der Pleite rettet. Für unseren Lohnausfall, unsere Miete springt ja auch niemand ein.

Du bist in deiner Arbeit selbst von den Folgen der Covid 19 Pandemie betroffen? Ganz egal, ob Du normal weiterarbeiten musst und dabei dich und andere nicht ausreichend schützen kannst, ob Du gezwungen bist Überstunden abzubauen und Minusstunden zu sammeln oder umgekehrt zu längern Schichten bei weniger Pausen, ob du von Kurzarbeit betroffen bist oder einfach nicht weißt wie lange Du deinen Job überhaupt noch hast - melde Dich bei uns!

E-mail: solidarische_nachbarschaft@riseup.net
Telefon / SMS / WhatsApp: 01632 88 96 56 oder 01632 20 92 51